5. Die Geschichte des Fetischs in den Medien. Armin Rainer Fetischismus ist keinesfalls eine Erscheinung der letzten Jahre. Sehr viele Menschen haben einen sexuellen Fetisch, doch erst in letzter Zeit, in der die öffentliche Toleranz gegenüber der Erotik und ihren Spielarten stark gestiegen ist, wird er zur öffentlich behandelten Tatsache. In früherer Zeit wurde dem Fetisch privat, hinter verschlossenen Türen gehuldigt, immer mit der Angst vor öffentlicher Ächtung im Hinterkopf, was meist dazu führte, daß der Fetischist mit seiner Vorliebe alleine war. 5.1 Printmedien Seit es den Menschen gibt, gibt es Erotik, gibt es auch erotische Literatur und erotische Abbildungen. Je nach Toleranz der Gesellschaft oder der Gesellschaftsschicht wurden diese mehr oder weniger öffentlich verbreitet. Es gab sicherlich auch viel Material für Fetischisten, wenngleich der Fetisch nicht als solcher benannt wurde. Die erste, aufsehenerregende Publikation, die sich nur mit Fetisch- oder Bizarrerotik beschäftigte, war das amerikanische Magazin 'Bizarre', das zwischen 1948 und 1959 in 24 Ausgaben in unregelmäßigen Abständen herausgegeben wurde. Erfinder und erster Verleger war John Alexander Scott, der unter dem Pseudonym John Willie arbeitete. Willie war Autor, Zeichner, Photograph in Personalunion. Später kamen noch Fotobeiträge von Fremden, sowie Leserbriefe hinzu. Titelblatt einer Bizarre-Ausgabe Und das genau in der Zeit, wo das amerikanische Puritanertum voll zum Durchgriff kam, zu einer Zeit, in der im Kino nicht mit offenem Mund geküßt werden durfte, in der von Nacktheit oder Sexualität keine Rede war. Willie mußte selbstverständlich gegen die Zensur arbeiten. Sein Werk konnte nur über den Versandhandel vertrieben werden, fand aber im Laufe der Zeit dennoch große Resonanz. In seinem Magazin behandelte er Fetische und sexuelle Vorlieben aller Art. Schuhfetischismus, Bondage, Transvestismus, SM-Praktiken, Kleidungsfetische, Piercing und vieles mehr. Es gab keine photographierte Nacktheit in seiner Publikation, wenn Nacktheit, dann nur in sehr stilisierten Zeichnungen. Jegliche Vorlieben wurden beschrieben, aber niemals mit Geschlechtsverkehr in Zusammenhang gebracht. In einer großen Leserbriefrubrik schreiben Leser über ihre Lieblingsschuhe, ihre Leidenschaft für Korsetts u. dgl., Worte wie Erotik und Geschlechtsverkehr wurden nie verwendet, bzw. vom Herausgeber gestrichen oder geschickt umschrieben. Bondagetechniken wurden dahingehend entsexualisiert, indem man gefesselte Frauen in fingierten Anzeigen als Opfer von Einbrechern darstellte und zu Selbstverteidigungskursen aufrief (Mit dem Slogan:'Don't let this happen to you'). Die Bondagegemeinde allerdings holte sich damit wichtige neue Anregungen für ihre Vorlieben. Auch seine Comicstrips über die Abenteuer der 'Süßen Gwendoline' im Kampf gegen den Bösen Schurken 'D'Arcy D'Arcy' waren eigentlich nur einem Zweck gewidmet: Junge Mädchen gefesselt in aufreizender Kleidung zeigen zu können. Ausschnitt aus Sweet-Gwendoline Comic von John Willie Schuh-, Kleidungs- und Korsettfetischismus wurde dahingehend verpackt, indem angebliche Experten Wissenswertes und Geschichtliches über diese Kleidungsstücke berichteten. Wenn Männer Frauenkleidung trugen, dann nur zu Verkleidungszwecken im Fasching, zur Strafe, oder weil ihre Frauen ihnen auftrugen, doch herauszufinden, wie unangehem es ist, in High Heels zu gehen. Einige bekennende Frauenkleidungsträger versicherten allerdings immer, 'richtige' Männer zu sein. Viele Hinweise gibt es auch darauf, daß es eigentlich die Männer waren, die zuerst hohe Absätze und Korsetts trugen (Ludwig XIV z.B.) Wie man sieht, auch in dieser Publikation wurde noch nach einer Legitimation für den Fetisch gesucht. Heute sind sehr viele Publikationen zum Thema Fetisch erhältlich. Meist vertrieben in Sex-Shops, einigen Trafiken und über den Versand. Fast jeder Fetisch hat sein eigenes Magazin, es gibt mittlerweile auch schon große Bildbände und unzählige Videofilme. Auch Softpornomagazine, wie der Playboy, beschäftigen sich in Artikel mit dem Fetisch, in letzter Zeit auch schon genreübergreifende Magazine. 5.2 Film und Fernsehen Fetischismus hat es, wie gesagt, immer schon gegeben, oftmals wurde er jedoch nicht beim Namen genannt. Schuhfetischisten kamen oft auf ihre Kosten, wenn in normalen Spielfilmen Frauen in Stiefeln oder Schuhen mit High Heels gezeigt wurden. Dies war von den Produzenten sicherlich auch oft Absicht. Man versuchte, vor der Zensur eventuelle sexuelle Absichten zu verstecken, und das funktionierte besonders gut in den B- und C- Horrormovies der fünfziger Jahre in den USA. Fetischkleidung- und Accessoires wurden dort eben als Außerirdischenkostüme u dgl. getarnt, Bondagetechniken als 'Sicherheitsverwahrung' durch einen Bösewicht, Auspeitschungen z.B als barbarisches Ritual irgendeiner Sekte. Vampira hieß eine der Stars der US-Trash-Movies und des Privatfernsehens der späten 50er Jahre. Immer in einem hautengen, schwarzen Kleid, mit korsettierter Wespentaille, Stiefeln mit High Heels, äußerst stark geschminkt, mit sehr langen Fingernägeln, sozusagen als 'Vampir' verkleidet, wurde sie zum Kult-Star der Szene. Revuefilme waren ein akzeptiertes Forum, ausgefallene Kostüme zu zeigen. Da der Fetischist nicht prinzipiell auf Nacktheit besteht, waren diese Kostüme, ohne von der Zensur angetastet zu werden, sicherlich auch Objekt der Begierde; hohe Stiefel, ausgefallene Stoffe oder Make-Up, werden sicherlich vielen, nicht nur ob ihrer Optik, gefallen haben. Abgesehen vom Fetischismus waren diese Filme die einzige Möglichkeit, zu dieser Zeit auch nur einen Hauch Erotik sehen zu können. Weitere Filme, die den Fetisch, unausgesprochen, als Thema hatten, bzw. sich ausführlich dessen bedienten, waren unter anderem: In den Sechzigern 'Barbarella' (R: Roger Vadim), wo Fetischkleidung als Standardmode und sexuelle Spielarten als gesellschaftlich akzeptiert gezeigt wurden. In den Siebzigern 'The Rocky Horror Picture Show' (Regie: Jim Sharman 1974), der noch dazu eine Parodie auf die Trash-Movies der 50er war. In den 80er und 90er Jahren die Batmanfilme (Batman 1+2 von Tim Burton, Batman 3+4 von Joel Schumacher; Kostüme Teil 1-3 von Bob Ringwood, ), die durch auffallend hohen Einsatz an Latexbekleidung auffielen. Einige Fetisch-Webpages widmeten zur Zeit der Premiere des letzten Filmes im Sommer 1997 einigen Platz den Batman-Filmen. Sowie in den 90ern die Verfilmung des Skandalromanes 'Crash' von J.G. Ballard durch David Cronenberg. Hier gibt es zwar keinen Kleidungs-Fetisch, dem die Protagonisten erliegen, wohl aber den Fetisch der modernen Welt, das Auto, das aber nicht allein der Fetisch ist, sondern nur in Gemeinsamkeit mit dem Unfall, der Vernichtung und Zerstörung. Michelle Pfeiffer als Catwoman in 'Batman Returns' Michael Keaton als Batman in 'Batman Returns' Schuhe sagen auch viel über den Charakter aus und werden daher oft als charakterbildendes Merkmal eingesetzt. Hohe Lackstiefel ließen Julia Roberts in 'Pretty Woman' (USA 1990, R: Garry Marshall) als Prostiuierte in erkennbar werden. Hohe, schwarze Schnürstiefel definierten die Banden in 'Uhrwerk Orange'(Gbr 1972, R: Stanley Kubrick) als Bösewichte. Das erste Kleidungsstück an Arnold Schwarzenegger in 'Terminator' (Teil I 1984, Teil 2 1991, R: James Cameron), das wir sehen, sind Biker-Stiefel. Die Transformation von Jack Lemmon und Tony Curis von Mann zu Frau in Billy Wilders 'Manche Mögen's Heiß' (1959), wird zuallererst mit einer Detailaufnahme ihrer Schuhe angezeigt. Fetischisten oder Anhänger von ausgefallenen Sexpraktiken wurden, mit zunehmender Toleranz bei Film und Fernsehen, meist als Bösewichte dargestellt, der Fetisch wurde nicht, wie in den Fünfziger Jahren versteckt, sondern schon als solcher abgehandelt, wenngleich der Fetischist selbstveständlich nichts Gutes im Schilde führen kann, also zumeist als Bösewicht dargestellt wird. In 'Verfluchtes Amsterdam' (1988, R: Dick Maas) erscheint ein komplett in Latex und Tauchermaske eingehüllter Mörder, der eine Frau nach der anderen abschlachtet. Der Fetisch ist legitim, da eine Taucherausrüstung nun einmal aus Gummi ist. Die komplette Vermummung des Täters mag seine Boshaftigkeit unterstreichen, doch Fetischisten wird schon das Herz höher schlagen. Daß Sharon Stone in 'Basic Instinct' (R: Paul Verhoeven) ihre Partner ans Bett fesselt, macht sie ja auch nur, um sie leichter mit einem Eispickel abschlachten zu können. Die steigende Toleranz gegenüber der Sexualität in den letzten Jahren, erlaubt es auch vielen TV-Sendern, Sendungen zu diesen Themen auszustrahlen. Vorerst auf spätnächtliche Termine oder ins Pay-TV verbannt, kommen diese Sendungen nun auch ins 22.00 h Programm. Hier werden allgemein sexuelle Themen behandelt, und immer wieder auch der Fetisch. Sogar im prüden Amerika gibt es auf den sogenannten Free-Channels, wo Privatleute frei ihr eigenes Programm gestalten können, viele Fetischisten, die ihr eigenes Programm machen. In den Niederlanden, wo die Sexualität schon seit langem enttabuisiert ist, gibt es eine breite Auswahl an Sendungen zu diesem Thema. 5.3 Neue Medien Über Sinn und Nutzen des Internets ist bereits viel diskutiert worden. Sicher bestätigt sinnvoll sind E-Mail-Dienste und die Möglichkeit der Informationsbeschaffung über das Internet. Der kommerzielle Nutzen für Betriebe ist noch nicht so erforscht. Die Sex-Branche allerdings hat das Internet für sich ausgenützt. Die scheinbare Anonymität des Internet verleitet viele Kunden, die es nicht wagen, in einen Sex-Shop zu gehen, zum Schauen und zum Kaufen. Es werden nicht Nur Live-CyberSexdienste angeboten, sondern über Versandhandel auch Videos und Bilder verkauft, ebenso wie Kleidung und Accessoires. Internet-Versandhäuser bieten eine Riesenmenge an Kleidung an, streng sortiert nach Art des Fetischs (Lack, Latex, Leder, Metall), man kann dort unkompliziert Online Bestellen, mit Kreditkarte bezahlen, und bekommt dann ein unscheinbares Päckchen mit dem gewünschten Inhalt! Man legt bei der Gestaltung sehr viel auf Stil, auf Offenheit, man versucht damit das Hinterhof-Flair vieler Sex-Shops loszuwerden. Mehrere Chat-Server bieten auch chats zu diesem Thema an, wo sich Gleichgesinnte, anonymisiert hinter einem Nickname, über ihre Vorlieben unterhalten und interessante Leute treffen können. Vielen Fetischisten bietet dies eine großartige Möglichkeit, aus ihrer - immer noch vorhandenen gesellschaftlichen Isolation zu schlüpfen, und vielleicht doch einen Partner zu finden. 5.4 Fetisch in der Öffentlichkeit Der Schuhfetischismus ist einer der häufigsten, und die Schuhmode hat immer wieder einfallsreiche Ideen zu diesem Thema abgeliefert. Hohe Absätze, feine, meist glänzende Materialien wurden schon seit jeher eingesetzt. Das Tragen von solchen Schuhen wird selten gleich mit fetischistischen Neigungen in Zusammenhang gebracht, wenngleich für viele Männer immer noch der Eindruck besteht, eine Frau sei leichter zu haben, wenn sie aufreizende Kleidung und/oder auffallende Schuhe trägt. Fetischkleidung allerdings kommt in der Öffentlichkeit weniger zum Einsatz. Besonders weil die Materialien doch immer noch Aufsehen erregen würde. Gummiregenmäntel oder Regenschuhe aus Gummi sind z.B. eine Möglichkeit für Fetischisten, ihren Fetisch auszuführen. Die Ravekultur der 90er führte auch zu neuer Kleidung. Jede Jugendkultur, jeder Gruppe hat ihre Kleidungsregeln, um die Mitglieder auszuweisen. Die Ravekultur hat keine festgesteckten Grenzen was die Kleidung betrifft, allerdings sieht man hier nicht selten hier Lack oder Latex, sowie ultrahohe Stiefel, die heute auch schon in Jugendbekleidungsgeschäften geführt werden. Sicher mit ein Grund für die zögerliche Verbreitung der Fetischkleidung in der Öffentlichkeit ist die Unbequemlichkeit. Hohe Schuhe führen zu Fußschmerzen, Lack und Latex sind luftundurchlässig und fördern die Transpiration. Es gibt auch schon viele Fälle von Allergien gegen diese Materialien. 5.5 Zusammenfassung: Die Öffentlichkeit ist toleranter geworden. Gab es vorher strenge Regeln in jeglicher Beziehung, deren Bruch einer Ächtung schon bald gleichkam, ist heute, zumindest im westlichen Kulturkreis mehr erlaubt und gestattet. Eine komplette Freiheit gibt es heute selbstverständlich noch nicht. Fetischisten bleiben immer noch unter sich, haben aber durch die steigernde Aufnahme dieses Themas durch die Medien, mehr Zugang zu Aufklärung und Information, und sie haben auch neue Möglichkeiten gefunden, Fetischbekleidung oder -accessoires zu kaufen. Die Anzahl und Variationen dieser Güter haben sich in letzter Zeit sicherlich sehr gesteigert. Fetischismus ist zumindest in der Öffentlichkeit zu einem Thema gemacht worden. Das wird keinen, der nicht sowieso Lust an einem Fetisch verspürt, zum Fetischisten machen, den Fetischisten jedoch, wie gesagt mehr Anerkennung und Selbstwertgefühl geben, da für viele das Gefühl des Alleine- und Andersseins zur Qual wurde.