4. Fetischismus
Birgit Ammann
 
Mit dem Fetischismus verbinden sich Bilder vom "perversem" Sex, für den ein 
anormales Angezogensein von Bekleidungsgegenständen wie hochhackigen Schuhen und 
enggeschnürten Korsetts oder Körperteilen wie Füßen und Haaren kennzeichnend 
ist. Aber die stereotype Beschreibung des Fetischismus als nur "pittoreske" 
sexuelle Abweichung erweist sich als Vereinfachung. Leder, Gummi, und 
Kampfschuhe, Tätowierungen und Piercing, all die Paraphernalien des 
Fetischismus, sind zunehmend zu festen Bestandteilen der Alltagsmode geworden. 
Das allgemeine Interesse an subkulturellen Stilelementen ist nicht neu. In 
letzter Zeit hat es einen qualitativen Wandel in der Aufnahme von 
Kleidersexualität gegeben. Unter dem Prädikat "sexuell pervers" verkauft sich 
heute alles: Film, Mode, Schokolade, ...
 

Das Wort Fetischismus hat eine doppelte Bedeutung. Einmal bezeichnet es einen 
rätselhaften Zauber und gleichzeitig eine "fabrication, ein Artefakt, ein 
Produkt aus Schein und Zeichen."
Der ursprüngliche Diskurs über Fetischismus war ein religiöser und 
anthropologischer. Missionarische Traktate über Fetischismus und Fetischanbeter 
verurteilten die "barbarische" Religion von Menschen, die Götzenbilder aus Holz 
und Ton anbeteten.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bezeichnete der Begriff Fetisch bereits all das, 
was irrational verehrt wurde.
Dann bildete sich eine zweite, marxistische Interpretation heraus. Karl Marx 
analysierte den "Fetischcharakter der Warenwelt" mit den Begriffen des falschen 
Bewußtseins und der Entfremdung. Nach Marx gewährt der Konsum von 
Gebrauchsartikeln eine Scheinbefriedigung. Da es ihnen an Klassenbewußtsein 
fehlt, versehen die Arbeiter die Arbeitsprodukte mit einem geheimen Wert, der 
jedes Arbeitsprodukt in eine "gesellschaftliche Hieroglyphe" verwandelt, die 
wieder zu entziffern ist.
Alfred Binet gebrauchte in seinem 1887 in der "Revue philosophique" 
veröffentlichten Aufsatz "Le Fétichisme dans l'amour" den Begriff Fetischismus 
als erster im aktuellen, psychologischen Sinn. Das Konzept des erotischen 
Fetischismus wurde dann in anderen Untersuchungen über sexuelle Abweichungen 
aufgegriffen. So zum Beispiel von Richard von Krafft-Ebing, der Begriffe wie 
"Sadismus" (nach dem Marquis de Sade) und "Masochismus" (nach Leopold von 
Sacher-Masoch) prägte.
 

Als der Begriff Fetischismus immer mehr Bedeutung einschloß, begannen die 
unterschiedlichen Diskurse sich zu überschneiden. "Fetischismus betrifft nicht 
nur Sexualität, sondern vor allem auch Macht und sinnliche Wahrnehmung." 
In der Kritik der kulturellen Konstruktion der Sexualität hat das Konzept des 
Fetischismus in jüngster Zeit größere Bedeutung erlangt. Arbeiten wie 
"Fetishisme as Cultural Discours" und "Feminizing the Fetish" komplementieren 
oder kritisieren die umfangreiche medizinische Literatur zum Fetischismus als 
eine sexuelle "Perversion".
Neomarxisten analysieren den Konsumfetischismus, feministische 
Wissenschaftlerinnen erforschen das umstrittene Gebiet des "weiblichen 
Fetischismus", während Kunsttheoretiker die subversive Rolle des Fetischismus in 
der zeitgenössischen Kunst betonen, indem sie hervorheben, daß jeder Gegenstand, 
der uns sinnlich erschüttert, Fetisch sein kann.
 
 
4.1 Was ist Fetischismus?
 
Die American Psychiatric Assocation definiert in ihrem Handbuch "Diagnostic and 
Statistical Manual (DSM)" Fetischismus als "wiederkehrende, sexuell intensiv 
erregende Phantasien, sexuelle Triebe oder Verhaltensformen, die den Gebrauch 
unbelebter Objekte (zum Beispiel Damenunterwäsche) mit einbeziehen."
Das unbelebte Fetischobjekt ist oft, aber nicht notwendigerweise, ein 
Kleidungsstück: Schürzen, Stiefel, Damenkleider, Brillen gehören dazu, 
Handschuhe, Taschentücher, Regenmäntel und Schuhe, auch Strümpfe, Damenwäsche 
und Uniformen. Oft gibt es ganz spezielle Anforderungen: das Kleid soll naß oder 
aufgeschlitzt sein; die Schuhe hochglänzend oder knarrend. Fetisch kann aber 
auch ein bestimmtes Material sein, wie zum Beispiel Pelz, Seide, Leder oder 
Gummi, das in einer besonderen Verarbeitung begehrt werden kann oder auch nicht.
Die Materialfetischisten werden in zwei Gruppen "hart" und "weich" unterteilt. 
Harte Fetischgegenstände - aus Materialien wie Leder und Gummi- sind häufig 
glatt, glänzend und schwarz, oft sind es eng einschnürende Bekleidungsstücke 
oder Schuhe. Weiche Fetische sind zart, gerüscht oder flaumig. Reizwäsche und 
Pelz sind Beispiele für weiche Fetische.
Doch sind neben Kleidern auch viele andere Gegenstände als Fetisch benützt 
worden: Haarbürsten, Prothesen (Kunstglieder), Sicherheitsnadeln, Schnecken und 
Küchenschaben (der Fetischist kann sie sich auf den Körper setzen, während er 
masturbiert), Peitschen, Rosen und die Lenkstange eines Rennrades.
Es gibt auch sogenannte negative Fetische - hier wird die Abwesenheit von etwas 
vorausgesetzt, was normalerweise da ist. So fühlen sich manche Männer sexuell 
von Amputierten oder Krüppeln angezogen.
Nichtsdestoweniger sind Kleider besonders wichtig, weil sie direkt mit dem 
Körper assoziiert werden und weil es künstliche Objekte sind, die ersetzt, 
gehortet und von einer Person an die andere weitergegeben werden können.
 
Der Duden erklärt: "Fetischismus: sexuelle Fehlhaltung bei der bestimmte 
Körperteile oder Gegenstände von Personen gleichen oder anderen Geschlechts als 
einzige oder bevorzugte Objekte sexueller Erregung und Befriedigung dienen."
 
Der Sexualforscher Richard von Krafft-Ebing definierte im 19. Jahrhundert: "der 
erotische Fetischismus hat entweder einen bestimmten Körperteil des 
entgegengesetzten Geschlechts zum Gegenstand oder ein bestimmtes Kleidungsstück 
desselben oder einen Stoff der Bekleidung."
Natürlich fühlen sich viele Männer von Bekleidungsgegenständen wie hochhackigen 
Schuhen und Seidenslips sexuell angezogen, oder sie bevorzugen 
Sexualpartnerinnen mit besonderen physischen Merkmalen, zum Beispiel mit großen 
Brüsten oder langem rotem Haar. Sind sie alle Fetischisten? Die früheren 
Sexologen gingen davon aus.
"Wir sind alle mehr oder weniger Fetischisten", erklärte Dr. Emile Laurent 1905. 
"Normale Liebe", meinte auch Alfred Binet, ist das Resultat "eines komplizierten 
Fetischismus." Die Pathologie beginnt "in dem Augenblick, in dem die Liebe zu 
einem Detail vorherrschend wird." Laut Krafft-Ebing konzentriert sich im 
pathologischen erotischen Fetischismus das Interesse ausschließlich "auf diese 
Teile, neben denen alles andere am Weibe verblassen und der sonstige sexuelle 
Wert des Weibes au Null sinken kann, so daß statt des Koitus seltsame 
Manipulationen am Fetischgegenstände zum Ziele der Begierde werden."
Ist der pathologische Zustand nur eine quantitative Abweichung vom 
Normalzustand? Ja und Nein. Fetischismus läßt sich vielleicht am besten in einem 
Konzept darstellen, das sich in kontinuierlicher Steigerungen entfaltet:
 
Stufe 1: Es liegt eine schwache Vorliebe für bestimmte Arten von Sexualpartnern 
vor, für bestimmte sexuelle Stimuli oder bestimmte sexuelle Handlungen. 
Für diese Stufe sollte der Begriff Fetischismus nicht verwendet werden.
 
Stufe 2: Es liegt eine starke Vorliebe für bestimmte Arten von Sexualpartnern 
vor, für bestimmte sexuelle Stimuli oder bestimmte sexuelle Handlungen. 
Fetischismus geringen Grades.
 
Stufe 3: Spezifische Stimuli sind für die sexuelle Erregung und die Durchführung 
des Sexualaktes notwendig.
Fetischismus mittleren Grades.
 
Stufe 4: Spezifische Stimuli treten an die Stelle des Sexualpartners.
Fetischismus höchsten Grades.
 
 
4.1.1 Fetischismus als männliche Norm
 
"Fetischismus ist bei Männern die Norm, nicht bei Frauen."
 
Das bedeutet nicht, daß Frauen an Körperteilen oder aufreizender Bekleidung kein 
Interesse haben. Aber diese scheinen die weibliche Begierde nicht in der 
gleichen Weise wie die männliche erregen zu können.
Männer schwärmen für bestimmte Kleidungsstücke und Körperteile. Womöglich 
beschreiben sie sich selbst als bein-, busen- oder pofixiert. Ein solcher 
Beinliebhaber ist jedoch kein wirklicher Fetischist, es sei denn, er kommt 
lieber auf den Beinen seiner Partnerin als zwischen ihnen zum Höhepunkt.
 
Obwohl Fetischismus im strengen Sinn wohl eindeutig von einer Minderheit 
praktiziert wird, scheinen fetischistische Anteile bei Männern allgemein üblich 
zu sein, mit anderen Worten: "normativ, ja normal." Eine ganze Reihe von 
Sexmagazinen mit Titeln wie High Heels, D-Cup und Erotic Lingerie spezialisiert 
sich auf extreme Stöckelschuhe, auf große Busen oder auf Reizwäsche. Doch wird 
Pornographie bislang nur zu einem geringen Teil speziell für einen der 
verschiedenen Fetische verfaßt. Nur ein sehr kleiner Personenkreis ist zur 
sexuellen Erregung auf solch spezifische Photos angewiesen. Doch sind Bilder von 
Frauen, die hohe Absätze und Reizwäsche tragen, ebenso verbreitet wie Bilder des 
vaginalen Geschlechtsverkehrs und scheinen so Teil einer normativen sexuellen 
Bildwelt zu sein.
 
"Es gibt eine ganze Rasse erotischer Minifetischisten: nämlich fast alle Männer 
aus den meisten Kulturbereichen."

Für Frauen ist weder der "pathologische" Fetischismus noch das "normale" 
Fetischisieren typisch. Wie Louise Kaplan bemerkt, "sind abgesehen von sexuellen 
Masochismus, wo auf etwa zwanzig Männer eine Frau kommt, in weniger als einem 
Prozent der als sexuelle Perversion aufgeführten Fälle die betroffenen Personen 
Frauen." Viele halten dies für unwahr; Ausnahmen erscheinen ihnen vorstellbar. 
Oder sie bestehen darauf, daß Frauen, wenn sie erst umfassend "sexuell befreit" 
sind, mit den Männern gleichziehen werden. Manche Frau beglückwünscht sich, daß 
nur Männer "pervers" seien. 
Alle drei Positionen zeugen von einer gewissen Naivität. "Ein sorgfältig 
bedachtes Argument [...] ist, daß Männer von Androgenen wie Testosteron zu 
Errektionen getrieben würden. Frauen dagegen seien [...] weniger geneigt, zur 
Lösung ihrer sexuellen und moralischen Konflikte Perversionen auszuagieren", 
schreibt Lousie Kaplan, räumt aber ein, daß diese Erklärung zuviel Gewicht auf 
biologische Faktoren legt. Psychiater suchen nach weiblichen Fetischisten, 
Transvestiten, Sadomasochisten und Exhibitionisten, verkennen aber die 
Möglichkeit, daß Frauen ihre eigenen Perversionen haben. "Die männlichen 
Perversionen verwenden eine manifeste Form des abartigen Sex zur Beschwichtigung 
der persönlichen Dämonen." Im Gegensatz dazu, behauptet Lousie Kaplan, können 
"sexuelle Verhaltensweisen als solche, mögen sie nun abartig sein oder nicht, 
[...] nicht als Schlüssel zu den weiblichen Perversionen dienen."
 
Interessant ist hier eine persönliche Erfahrung. All meine männlichen Bekannten 
reagierten mit Begeisterung darauf, wenn ich ihnen von diesem 
Seminararbeitsthema erzählte. Sie wollten mehr und Genaueres erfahren und 
meinten, daß sie einige Anregungen "in ihr Sexualleben mitnehmen würden". Meine 
weiblichen Bekannten reagierten mit schockiertem Ekel, fanden das Thema 
widerlich.
 
 
4.1.2 Die phallische Frau
 

 
"Der Fetisch", schreibt Freud, "ist der Ersatz für den Phallus des Weibes (der 
Mutter), an den das Knäblein geglaubt hat und auf den es [...] nicht verzichten 
will. [...] denn wenn das Weib kastriert ist, ist sein eigener Penisbesitz 
bedroht."
Kleine Jungen und Mädchen sollen angeblich eine Phase durchlaufen, in der sie 
glauben, daß zumindest manche Frauen (wie ihre Mütter) einen Penis haben. Kaplan 
beschreibt den Fetischismus, obwohl sie Freud im wesentlichen folgt, lebendiger 
und möglicherweise auch überzeugender: 
"Der kleine Junge, der seine Mutter mit einem Ersatzpenis ausstattet, entwickelt 
nur eine vorläufige Phantasie über das grotesk anmutende Genitale, das der 
erwachsene Fetischist als Schuh oder Pelzstückchen greifbar macht. Die 
Empfindung des kleinen Jungen besteht aus einem vagen, undeutlichen Bild und ist 
nur eine behelfsmäßige Lösung für einige der unvermeidlichen Kindheitsprobleme. 
Der Gegenstand, den der Fetischist benutzt, um zu Errektion und Penetration 
fähig zu sein, ist durchaus greifbar und stellt den verzweifelten Versuch der 
Überwindung eines lebenslänglichen Traumas dar. 
Freud hat als erster festgestellt, daß kleine Jungen aus ihren Theorien über 
Sexualität hinauswachsen können und sie vergessen, aber sie werden sie niemals 
ganz aufgeben. Die Theorien werden zwar unterdrückt und zeitweilig aus dem 
Bewußtsein verdrängt, aber als unbewußte Phantasien bestehen sie fort und sind 
immer bereit, ins Bewußtsein zurückzukehren, wenn die Männlichkeit des Mannes 
bedroht ist."
 
Nach Freud besteht für den erwachsenen Fetischisten nur ein Weg, "die 
Entfremdung gegen das wirkliche weibliche Genitale" zu überwinden, nämlich 
"indem er dem Weib jenen Charakter verleiht, durch den es als Sexualobjekt 
erträglich wird." Das Fetischobjekt bezeichnet demnach den Triumph über die 
Kastrationsdrohung und den Schutz vor ihr.
 
Nach Ansicht des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan ist der Phallus 
nicht mit dem Penis gleichzusetzen, obwohl wir dazu neigen, beide Wörter synonym 
zu verwenden. Während nämlich der Penis, er mag besonders eindrucksvoll sein 
oder nicht, ein Teil des männlichen Körpers ist, stellt der Phallus das ewig 
errigierte Symbol von Macht und Potenz dar.
Weder Männer noch Frauen "haben" den Phallus, aber beide wünschen sich das, 
wofür er steht.
Die Theorie, die phallische Frau sei "als Phantasie in Perversionen 
allgegenwärtig" darf nicht als eindeutig bewiesen angesehen werden. Betrachtet 
man allerdings einige Fetische, so erkennt man, daß dies häufig der Fall ist 
(bzw. sein kann).
 
Es gibt jedoch einige Probleme und Lücken in der klassischen Freudschen Theorie. 
Fetischobjekte werden nicht zufällig ausgewählt und Freud stellte sich die 
berechtigte Frage, warum bestimmte Objekte, wie Schuhe, Pelz und Unterwäsche, so 
häufig als Ersatz für den abwesenden weiblichen Phallus ausgewählt werden. Er 
schlug vor, daß es womöglich einen Zusammenhang mit dem letzten Moment, "in dem 
man das Weib noch für phallisch halten durfte", geben könnte. Insofern halten 
"die so häufig zum Fetisch erkorenen Wäschestücke [...] den Moment der 
Entkleidung fest."
Pelz wird mit dem Schamhaar, das eigentlich einen Penis enthüllt haben sollte, 
assoziiert. Schuhe rufen den Moment zurück, in dem der kleine Junge unter den 
Rock der Mutter geschaut hat. 
Neue Untersuchungen haben jedoch den überdeterminierten Charakter der 
Fetischauswahl erarbeitet.
 
Freuds Gedanke, daß der Fetisch den Fetischisten daran hindere homosexuell zu 
werden (indem er den sonst furchterregenden Anblick der weiblichen Genitalien 
kompensiert), hält in der Erfahrung nicht stand: "[...] wenn der Fetisch nichts 
anderes wäre, als ein Ersatz des mütterlichen Penis, da das Subjekt unfähig 
wäre, den Anblick des kastrierten weiblichen Genitales zu ertragen, der in ihm 
Kastrationsangst erweckt, dann sollte diese Angst bei einem Mann, dessen 
Sexualpartner ein anderer Mann ist, nicht vorhanden sein." Aber es gibt sowohl 
homosexuelle als auch heterosexuelle Fetischisten.
 
Der Fetisch mag zwar ein Ersatz für den mütterlichen Penis sein, doch das 
erklärt ihn nicht vollständig. Die klassische Freudsche Theorie liefert eine 
unzulängliche Erklärung des Fetischismus, da sie den Kastrationskomplex in einem 
(zu) engen Sinn versteht, wie sich an der Einschätzung der weiblichen Genitalien 
zeigt. (eben als kastrierte männliche Genitalien).
Dagegen schlägt die französische Psychoanalytikerin Janine Chasseguet-Smirgel 
vor, "den eigentlichen Begriff der Kastration zu erweitern, um ihn zu dem, was 
ihm vorausgeht, in Beziehung zu setzen: der Trennungsangst."
"Der Fetisch ist die Sammelstelle aller Teilobjekte, die das Subjekt im Laufe 
seiner Entwicklung verloren hat."
 
Allerdings wird die psychologische Erklärung des Fetischismus zunehmend in Frage 
gestellt.
4.1.3 Die "Erfindung" des Fetischismus
 
Fetischismus hat genau wie Pornographie eine eigene Geschichte. Obwohl fast jede 
"perverse" Handlung, die uns heute bekannt ist, schon zur Zeit des Römischen 
Reiches existierte, besagt das nicht, daß es Fetischismus schon immer gegeben 
hat. Es gibt dazu zwei Theorien. Die erste behauptet die Universalität des 
Fetischismus - oder zumindest seine mehrtausendjährige Existenz in vielen 
Kulturen. Im Gegensatz dazu erklärt die zweite Theorie, daß sich der 
Fetischismus nur in modernen westlichen Gesellschaften entwickelt habe. Für 
beides gibt es Belege.
Modifikationen des Körpers und Cross-dressing werden in vielen Kulturen rituell 
praktiziert. Körperteile und Kleidungsstücke wurden in großem Umfang 
fetischisiert. So ließ sich der römische Dichter Ovid vom Reiz weiblicher Füße 
hinreißen, und das Einbinden der Füße bei den Chinesen zeigt viele Merkmale des 
Fetischismus.
Wenn auch die meisten Männer der meisten Kulturen fetischisierten, so scheint 
Fetischismus im heutigen Verständnis zuerst im Europa des 18. Jahrhunderts 
aufgetreten zu sein, um sich dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als 
eigenständiges sexuelles Phänomen herauszukristallisieren.
Das 18. Jahrhundert war eine Periode des Übergangs, in der sich die 
traditionellen sexuellen Positionen und Verhaltensweisen auf die modernen Muster 
hin entwickelten. Da Gedankenfreiheit und sexuelle "Libertinage" miteinander 
assoziiert wurden, lösten Formen expliziter Erotik zunehmend Irritation aus. 
Nach und nach richteten die Menschen ihr Denken auf sexuelle Identitäten statt 
wie vormals auf sexuelle Handlungen. Die Entwicklung des Kapitalismus und die 
Urbanisierung in Europa schufen eine Umgebung, in der Fetischisten sich 
allererst als solche wahrnahmen und untereinander Kontakt aufnehmen konnten. Und 
doch spielen auch biologische Faktoren eine Rolle für den Fetischismus.
 
 
4.1.4 Die Evolution des Fetischismus
 
Sexualität ist sowohl ein Produkt der Geschichte als auch eines der Natur. Das 
menschliche Sexualverhalten wird durch biologische Faktoren mitbestimmt. 
"Weder Geschichte noch Psychoanalyse können zufriedenstellend erklären, warum 
der Fetischismus, wie die anderen "Perversionen", unter Männern soviel 
verbreiteter ist als unter Frauen. Soziobiologische Erklärungen bieten sich an, 
die solche Fragen evolutionstheoretisch, genetisch und durch Hormone erklären. 
Obwohl viele diesen Standpunkt mit Blick auf mögliche politische Implikationen 
ablehnen, scheint es doch kaum noch Zweifel zu geben, daß nicht nur unser Körper 
und unsere Genitalien, sondern auch unser Bewußtsein geschlechtlich determiniert 
ist." Männer und Frauen haben ein unterschiedliches Verständnis zu Liebe und 
Sex.
 
Die Grundsätze der Sozialbiologie (oder der evolutionären Psychologie) erklären, 
daß sich vieles in unserem sexuellen Verhalten durch den Darwinschen Prozeß der 
natürlichen Auslese entwickelt hat. Denn auf lange Sicht diente das der 
Anpassung. Wichtig ist dabei die Beobachtung, daß sich die sekundären 
Geschlechtsmerkmale zu ihrer aktuellen Gestalt entwickelt haben, um die 
Fortpflanzungstauglichkeit anzuzeigen.
Diese Information mag im Einzelfall wahr sein oder nicht, wenn sie nur öfter 
wahr ist als falsch, wird sie evolutionären Faktor.
Wenn sich heterosexuelle Männer demnach von Frauen mit großem Busen, schmaler 
Taille und weicher Haut angezogen fühlen, so deshalb, weil diese Merkmale mit 
jungen, gebärfähigen Frauen von größtmöglicher Fortpflanzungskapazität 
assoziiert sind. Unsere männlichen Ahnen, die vorpubertäre Mädchen oder ältere 
Frauen bevorzugten, verloren in dieser genetischen Konkurrenz.
 
Männliche Säugetiere, die frei sind von den Lasten der Geburt und des Säugens, 
können ihr genetisches Vermächtnis maximieren, indem sie sich mit möglichst 
vielen Weibchen paaren. Unter den Menschen scheinen daher Männer überwiegend 
visuell orientierte Muster zur Erlangung sexueller Erregung entwickelt zu haben. 
- eine Folge der ständigen Wachsamkeit, jede sich bietende Paarungsgelegenheit 
mit "attraktiven", d.h. offenbar fortpflanzungsfähigen, Frauen wahrzunehmen. Die 
männliche Tendenz zur sexuellen Erregung durch visuelle Signale deutet wiederum 
darauf hin, daß die menschliche Fetischbildung biologische Wurzeln haben könnte.
Der Psychologe Glenn Wilson schreibt dazu: "Es ist möglicherweise kein Zufall, 
daß die Gehirnregion, die für die durchsetzungsfähige männliche Sexualität 
verantwortlich ist, in einem Teil des Hypothalamus angesiedelt ist, der dicht am 
visuellen Aufnahmesystem liegt. Wenn die männliche Sexualität sich zu ihrem 
Zielbewußtsein entwickelt hat, so mag das einer der Gründe sein, warum gerade 
Männer besonders anfällig sind für jene Verzerrung der sexuellen Neigung, die 
wir als Paraphilien bezeichnen." Wilsons Untersuchungen über sexuelle Phantasien 
enthüllen auffällige Unterschiede zwischen den Geschlechtern, darunter fällt die 
in männlichen Phantasien weit ausgeprägtere Betonung visueller, voyeuristischer 
und fetischistischer Themen. In Männerphantasien figurieren häufig 
Kleidungsstücke wie beispielsweise "schwarze Strümpfe und Hüfthalter, 
Reizwäsche, Leder oder Krankenschwesterntracht; ein Beispiel wäre die 
jungfräuliche Sechzehnjährige in Schuluniform mit kurzem Rock."

Männer haben solche Phantasien offenbar zweieinhalb mal so oft wie Frauen. Man 
mag spekulieren, daß solche Kleidungsstücke (zumindest für manche Männer) 
tatsächlich die Funktion künstlicher sekundärer Geschlechtsmerkmale haben, die 
ihnen als Indikatoren dafür dienen, wie sexuell begehrenswert und verfügbar eine 
Frau ist.
 
Die immer überzeugendere Beweisführung der Evolutionspsychologen, daß sich das 
menschliche Sexualverhalten durch natürliche Auslese entwickelt habe, schließt 
nicht aus, daß individuelle Verhaltensweisen mannigfaltige und komplexe Ursachen 
haben können, einschließlich spezifischer organischer Verletzungen 
beziehungsweise krankhafter Veränderungen.
Um die Mitte des 20. Jahrhunderts begann man die Verbindung zwischen Veränderung 
im Gehirn (organische Gehirnschäden) und "sexueller Psychopathologie" 
medizinisch zu erforschen. Arthur Epstein untersuchte zum Beispiel "dreizehn 
Fälle von Fetischismus oder fetischistischem Transvestismus; von den Patienten 
wiesen neun ein abnormales Elektroenzephalogramm, zwei Anfallsleiden auf, und 
bei weiteren fünf lagen klinisch nachweisbare Gehirnschädigungen vor." In der 
Literatur fand er verschiedene Fälle in denen zusätzlich Epilepsie vorlag.
 
Probleme entstehen bei organischen (biologischen) Erklärungen, die sich 
ausschließlich auf das Gehirn als physisches Organ konzentrieren und das 
Bewußtsein, welches von ihm erzeugt wird, völlig ignorieren. Physiologische 
Dysfunktionen des Gehirns ( insbesondere der des Temporalhirns) können zwar in 
einigen Fällen von Fetischismus oder anderen Formen zwanghaften Verhaltens eine 
Rolle spielen. Nachweislich gibt es aber zumindest "zwei mögliche Ätiologien: 
eine, die in einem verletzten Gehirn beginnt, und eine andere, die [...] 
antwortet vor allem auf eine psychologische Erfahrung."
 
 
4.1.5 Zusammenfassend:
 
Viele Psychologen sind heute überzeugt, daß die Freudschen Theorien kaum 
wissenschaftliche Gültigkeit besitzen. Sie setzten mehr Vertrauen in 
neurologische Faktoren, da das Überwiegen von Paraphilien bei Männern zumindest 
teilweise durch genetische, hormonelle und evolutionäre Faktoren erklärt werden 
könne. "Untersuchungen haben gezeigt, daß es möglicherweise eine genetische 
Disposition für die SM- und TV-Charakteristik geben kann, deren Vorliebe für 
Leder und Gummi vollständig erlernt erscheint", schreibt die Psychologin Chris 
Gosselin. "Auch scheinen manche Menschen mehr als andere für solche 
Konditionierungen disponiert zu sein - ihr Bewußtsein ist so beschaffen". Ob ein 
Individuum diese "genetische Karte" ausspielt oder nicht, wird von seinen 
Lebenserfahrungen abhängen.
 
Fetischismus wird im allgemeinen als eine "Art Zwang" angesehen, "eine 
Kombination unüblicher Gehirnverdrahtungen und abweichender Konditionierungen", 
etwa einer "restriktiven Sexualerziehung".
In vielen Fällen scheint der Fetischismus eine Übertreibung oder eine Perversion 
von Merkmalen zu beinhalten, die der Fetischist mit den meisten anderen Männern 
teilt. Bestimmte Formen des manifesten Fetischismus haben sicher mehr als eine 
Ursache.
 
 
4.2 Schuhe
 

 
Auf viele Menschen üben hochhackige Schuhe einen unwiderstehlichen Reiz aus. 
"Ich bin Schuhfetischistin, gestand mir stolz eine Modejournalistin und wollte 
damit lediglich ausdrücken, daß sie Schuhe liebte." Etwas von Imelda Marcos 
steckt in vielen Frauen. Und viele Männer zeigen fast Pawlowsche Reflexe, wenn 
sie eine Frau auf hohen Absätzen erblicken. 
Sind sie deshalb alle Fetischisten? Wie unterscheidet sich echter 
"Hard-core-Fetischismus" von der verbreiteten Schwärmerei für "sexy" Schuhe?
Füße und Schuhe spielen eine immens wichtige Rolle in der erotischen 
Imagination. In China, wie auch bei uns im Westen, wurden kleine Füße mit 
weiblicher Schönheit assoziiert, während große Füße und schwere Stiefel mit 
Männlichkeit gleichgesetzt werden. Der historische "Ausflug" nach China zu dem 
Binden der Füße ist äußerst interessant, denn hohe Absätze können durchaus mit 
den gebundenen Füßen verglichen werden.
 
 
4.2.1 Der goldene Lotus
 
Die Praxis der gebundenen Füße in China weist viele Merkmale eines kulturellen 
Quasi-Fetischismus auf. Die erotische Literatur Chinas enthält die Beschreibung 
von Männern, die gebundene Füße liebkosen, küssen und mit der Zunge lecken. Der 
7,5 cm lange "goldene Lotus" wurde als erotisches Ideal gefeiert. "Betrachte sie 
in deinen Handflächen liegend", schrieb ein Dichter der Sung-Periode, 
"wundervoll winzig entziehen sie sich jeder Beschreibung." Auch die unsicheren 
Schritte der Frau hielt man für sexuell attraktiv. Gleichzeitig glaubte man, daß 
das Schnüren der Füße die Muskeln der Vagina straffen würde.
 
Das Binden der Füße wurde von der westlichen Welt als grausame Form weiblicher 
Unterdrückung und/oder als pervertierte Sexualvariante bewertet. Mittlerweile 
wurde das ursprüngliche Bild, das durch westliche Missionare und erotische 
Literatur "zu uns gekommen ist", durch die Wissenschaft revidiert. Dorothay Ko 
zeigt auf, "daß die Praxis, die Füße einer Frau zu binden, nicht als eine 
monolithische, identische Erfahrung zu sehen ist, der sich alle Frauen der 
einander ablösenden Dynastien zu unterziehen hatten, sondern daß es ein amorpher 
Brauch war, der für verschiedene Leute verschiedene Bedeutung hatte. [...] Es 
ist, mit anderen Worten, eine lokale Praxis."
 
Wie es scheint, entstand der Brauch, den Frauen die Füße zu Binden, am 
chinesischen Kaiserhof im Laufe des zehnten Jahrhunderts und betraf zuerst die 
Tänzerinnen. Ursprünglich bedeutete das wohl nicht mehr, als feste Socken - 
vielleicht ähnlich den Ballettschuhen - zu tragen. Unter der Sung-Dynastie 
verbreitete sich diese Sitte als ein Art Statussymbol in gehobenen Kreisen. Zu 
dieser Zeit gestaltete sich das Binden der Füße bereits körperlich deformierend. 
Im 14. Jahrhundert hatte sich das Binden der Füße schon bei der Landbevölkerung 
durchgesetzt. Es verschwand erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Das Binden der Füße war eine schmerzhafte Prozedur, die die körperliche 
Beweglichkeit der Frau stark beeinträchtigte. Die vier kleinen Zehen wurden 
unter den Fußballen gepreßt, so daß nur noch der große Zeh hervorschaute. Der 
Vorderfuß und die Ferse wurden so gegeneinander gedrückt, daß der große Zeh nach 
unten und der Fersenknochen nach vorne geschoben wurde. Die Knochen wurden 
gebrochen. dadurch formte der Spann einen hohen Bogen, was gleichzeitig die 
Sohle des Fußes tief spaltete. In der Silhouette entstand der Eindruck eines 
hochhackigen Schuhs.
Der sexuelle Symbolcharakter erscheint eindeutig, und wirklich zeigt die 
erotische Literatur, daß der große Zeh beim Liebesspiel als Penissubstitut, die 
Sohlenspalte dagegen als Pseudo-Vagina Verwendung fand. "Der Mann steckte den 
ganzen Fuß in den Mund, während die Frau umgekehrt den Mann stimulierte, indem 
sie seinen Penis mit ihren Füßen berührte."
 
Auch der Schuh war ein Schwerpunkt der erotischen Aufmerksamkeit. Angefertigt 
aus hellfarbiger, bestickter Seide und oft parfümiert, umhüllte er Fuß und 
Knöcheln und wurde in verschiedene Rituale, zum Beispiel Trinkspiele, 
einbezogen.
 
 
4.2.2 Eine übertriebene Erotik
 
Die allgemeine Vorstellung vom 19. Jahrhundert fokussiert eine sexuelle 
Unterdrückung, die die viktorianische "Prüderie" hervorgebracht und die wiederum 
zu unzähligen Perversionen geführt habe. "Die Kampagne zur Verhüllung des Beines 
war so effektiv, daß Männer um die Mitte des Jahrhunderts schon durch den 
flüchtigen Anblick eines weiblichen Knöchels in Erregung gerieten", schrieb der 
Historiker Stephen Kern. "Das zu dieser Zeit gehäufte Auftreten von Fetischen, 
zu denen Schuhe und Strümpfe gehören, dient als weiterer Hinweis auf eine 
übertriebene Erotik, die dadurch hervorgerufen wurde, daß man die untere Hälfte 
des weiblichen Körpers dem Auge entzog."
Philippe Perrot ist ebenfalls der Ansicht, daß "im 19. Jahrhundert Busen und 
Gesäß der Frau betont wurden, während die Beine völlig versteckt blieben, um so 
aus den Wogen von spitzengesäumter Unterwäsche ein erotisches Kapital zu 
gewinnen, dessen Zinsen sich am Kult um die Wade messen lassen und an der 
Erregung, die der flüchtige Anblick eines Knöchels hervorrief."

 
Falsch und stereotyp ist die Annahme, daß die langen Röcke der viktorianischen 
Zeit den weitverbreiteten Fuß- und Schuhfetischismus hervorgebracht hätten. Die 
Röcke der weiblichen Mode waren über Jahrhunderte hinweg lang - im freizügigen 
Paris des 18. Jahrhunderts genauso wie im angeblich prüden London der 
viktorianischen Zeit.
Beine wurden ganz selbstverständlich für attraktiv gehalten.
Außerdem gibt es keinen Grund anzunehmen, im 19. Jahrhundert sei Fuß- und 
Schuhfetischismus üblicher gewesen als heute.
 
Nicolas Restif de la Bretonne (1734 - 1806) kam der Vorstellung eines "wahren" 
Fetischisten im heutigen Verständnis sehr nahe, wenn er in seinem Roman "Le Pied 
de Fanchette" beschreibt, wie der Erzähler die rosenfarbenen Pantoffeln der 
Ehefrau seines Patrons stiehlt, die mit ihren kleinen rosa Zungen und grünen 
Absätzen so verführerisch wirken: "Während ich meine Lippen auf eines dieser 
Schmuckstücke preßte, ersetzte mir das andere, das Heiligste der Natur 
betrügend, im Überschwang das Objekt der Begierde." Mit anderen Worten, während 
er eines dieser 'Schmuckstücke' küßte, ejakulierte er in das andere.
 
 
4.2.3 Der Kult der hohen Absätze
 
Die Höhe der Schuhe hat ebenso wie ihre Größe erotische Bedeutung.
Der aufsehenerregendste Schuh der Renaissance war der venezianische "chopine", 
ein enorm hoher Plateauschuh, der insbesondere von Kurtisanen getragen wurde. 
Plateauschuhe - für Männer und Frauen - gab es in vielen Kulturen und ihre 
Bedeutung war keinesfalls auf die Erotik beschränkt. Indem sie die Gestalt des 
Trägers vergrößern, können sie einen hohen Rang bezeichnen. Wenn sie nicht zu 
hoch sind, können Plateauschuhe, wie der japanische "geta", auch die Funktion 
haben, den Träger davor zu bewahren, auf der Straße mit Matsch und Schlamm in 
Berührung zu kommen. Oder der griechische "Kothurn" diente in erster Linie den 
Theateraufführungen. Die Schauspieler wurden größer und somit auch von den 
letzten Reihen des Amphitheaters besser erkennbar.
 

 
Aber ohne Frage schränken sehr hohe Schuhe die Bewegungen des Trägers ein, eine 
Form von Bondage, die manche Leute erotisch finden.
Lange bevor die Mode den hohen Absatz betonte, taten es die Fetischisten. 
Logischerweise vertraten sie Absatzhöhen, die deutlich über der modischen Norm 
lagen
 
"Oh das Klacken dieser Stelzen und Absätze auf dem harten Fußboden! Ach, die 
Ekstase - diese unbeschreibliche Ekstase, die durch meine Adern pulsierte, wenn 
ich dahinschritt. Oh, die Freude - diese unaussprechliche Freude -, die mich 
verzehrte, als die Spiegel an der Wand die königliche Höhe und den aufrechten 
Stolz zurückwarfen, mit denen ich dahinstöckelte!"
 
Von jemanden der solche Schuhe trug, wurde nicht unbedingt erwartet, daß er auch 
damit laufen konnte. Träger oder Trägerin standen wie beim Ballett auf der 
Spitze - mit radikal überdehntem Spann - und konnten kaum humpeln.
 

Ein Wiener Fetischschuh aus der Zeit der Jahrhundertwende hatte einen unmöglich 
hohen Absatz, der dazu gedacht war, wie ein Dildo in den Anus des Fetischisten 
eingeführt zu werden. Die fetischistische Pornographie beschreibt oft, wie der 
Mann von den hohen Absätzen der Frau zerkratzt, gestochen und penetriert wird.
 
 
4.2.4 Der Schuh als Waffe und Wunde
 
"Mit einem hochhackigen Schuh bekleidet wird der Fuß zu einer mysteriösen Waffe, 
die den passiven Mann bedroht, der triumphiert, so überwunden zu werden." Der 
hochhackige Schuh ist "ein Symbol der Liebe" - ebenso aber ein "Symbol der 
Aggressionen". Er bedeutet Macht. Er zeigt Überlegenheit an.
Der Mann, der hohe Absätze anbetet, "demütigt sich tatsächlich vor dem 
überlegenen Geschlecht". Er betrachtet die Frau mit solcher "Ehrfurcht und 
Hochachtung", daß diese unberührbar erscheint und er sich dankbar fühlt, ihre 
Schuhe küssen zu dürfen, indem er darin eine befriedigende "Form der 
Erniedrigung findet".
 

 
Richard von Krafft-Ebing nahm an, daß "die meisten Fälle von Schuhfetischismus 
auf [...]masochistische Selbstdemütigungstrieben beruhen." Herr X. zum Beispiel 
hat die "wollüstig betonte Vorstellung, sich von einem Weibe mit dem Absatz 
treten zu lassen und in kniender Stellung des Weibes Schuh zu küssen."
Ein anderer Fetischist schreibt:
"Die Rockränder müssen genügend erhoben sein, um mir den Anblick der Füße und 
eines nicht geringen Anteils der Knöchel zu gestatten, aber durchaus nicht bis 
zum Knie oder darüber, denn dann wird die Wirkung sehr gering. Das Treten muß 
einige Minuten lang geschehen und zwar auf Brust, Abdomen, Inguinalgegend, 
zuletzt auf den Penis, der in heftiger Errektion ist. Ich habe übrigens auch 
Genuß daran, wenn mir durch einen Frauenfuß die Kehle zugedrückt wird."
 
 
4.2.5 Der gestiefelte Master
 
In pornographischen Romanen wie "Boot Licker", "Boot-Licking-Slave" und 
"Booted-Master" kommen weder Straß, Seide noch Stilettabsätze vor, aber die 
Titel geben einen Eindruck dieses Genres, in dem Stiefel einen großen Penis 
symbolisieren. Stiefel mit schweren Sohlen und Absätzen, die nach Schweiß und 
Leder riechen, gelten als ultra-maskulin: "Der schwarzlederne Bauernstiefel ist 
der Stiefel für Männer, die wissen, daß ein Mann ist, was er an den Füßen trägt. 
Ein Junge muß sich die Männerstiefel erst verdienen."
 

In "Booted Master" mokiert sich Nino, ein echter Motoradtyp, über Brians 
feminine Schuhe: "Turnschuhe! Ach Du liebe Muschi! Vielleicht hast Du unter 
Deinen Jeans auch noch rote Satinschlüpfer an?" Motoradclubs haben, wie Nino 
erläutert, einen Kleidercode, so wie in anderen Kreisen von einem Mann Krawatte 
und Jackett verlangt werden, wenn er ein elegantes Restaurant besuchen will, 
oder einen bestimmten Kleiderstil, um in eine Nobeldisco wie das Studio 45 in 
New York eingelassen zu werden. Er fesselt Brian und schnürt ihm einen Turnschuh 
um die Genitalien, um ihm so eine Lehre über Stiefel zu erteilen. Anschließend 
folgt eine Szene, in der die Stiefel geleckt werden müssen. "Sie werden zu 
Spiegeln, du kannst hinunterschauen und dein Schwanz spiegelt sich in ihnen 
wider. Sie schmecken nach Straße, Leder, Sperma, Scheiße und Pisse."
 
4.2.6 Schuhe und Sex
 
 
"Viele Nahaufnahmen schöner Füße, die in sexuell aufregenden Stöckelschuhen 
hinein und wieder hinausschlüpfen", verspricht ein Inserat, das für 
Fetischvideos wirbt.
Der Schuh kann sowohl symbolischer Ersatz des Penis als auch der Vagina sein, in 
die der phallische Fuß eingeführt wird.
Freud nahm an, daß der Schuh fetischisiert wird, weil er das letzte (akzeptable) 
Ding sei, das der Junge, wenn er unter dem Rock seiner Mutter aufsah, erblickte, 
bevor seine Augen den furchterregenden weiblichen Genitalien begegneten.

Ernest Becker meint dagegen in "The Denial of Death", daß "Der Fuß die eigene 
Furcht ist; und darüber hinaus wird er von seine eigenen verblüffenden und 
transzendierenden Verneinung und seinem Gegensatz begleitet - dem Schuh." Auch 
andere Körperteile haben korrespondierende Fetischobjekte: Die Genitalien sind 
durch Unterwäsche verhüllt, den fleischigen Torso und die Brüste schnürt das 
Korsett, aber Schuh und Fuß bilden eine besonders bemerkenswerte Einheit. 
Während im Fuß ein niedriger und schmutziger "Zeuge unserer entwürdigten 
Tiernatur gesehen wird", ist der Schuh - aus poliertem Leder, spitz zulaufend, 
elegant geschwungen und gewölbt, vom Boden durch einen schmalen, harten Absatz 
abgehoben - "das dem Körper 'Nächste', aber nicht der Körper."
 
Fetischismus meint Becker, "repräsentiert die Angst vor dem Sexualakt", und der 
Fetisch selbst dient als eine Art "magischer Zauber", der die angsteinflößende 
Realität des sichtbaren "Fleisches" in etwas "Transzendentes" verwandelt.
 
Angst vor dem Vollzug des Sexualaktes tritt bei Männern auf und mag einer der 
Gründe sein, warum Fetischismus fast immer eine männliche Perversion ist. Wenn 
eine Frau vor der Sexualität Angst hat, wird sie möglicherweise "frigide"; aber 
sie kann einen Orgasmus vortäuschen. Das Versagen des Mannes ist schwerer zu 
verbergen. Daher hypnotisiert er sich mit dem Fetisch und schafft sich seine 
eigene auratische Verzauberung, die die erschreckende Realität vollständig 
verwandelt. "Der Fetisch wirkt als magischer Zauber."
 
Krafft-Ebings "Psychopathia sexualis" von 1886 beschreibt den Schuhfetischismus 
in zahlreichen Fallgeschichten. Anekdotisch sei hier nur kurz eine angeführt:
Beobachtung 116. Schuh-Fetischismus. Herr von P., aus altadeligem Geschlecht, 32 
Jahre, konsultierte mich 1890 wegen 'Unnatürlichkeit' seiner Vita sexualis.[...] 
17 Jahre alt, habe ihn eine französische Gouvernante verführt, jedoch Koitus 
nicht gestattet, so daß nur gegenseitige mächtige Erregung der Sinnlichkeit 
(mutuelle Masturbation) möglich war. Mitten in dieser Situation fiel sein Blick 
auf die hocheleganten Stiefeletten dieser Person. [...] Während dieser 
Attouchements wurden ihre Stiefeletten zum Fetisch für den Unglücklichen. [...] 
Er hieß die Gouvernante seinen Penis mit ihren Schuhen berühren, was umgehend 
eine Ejakulation, begleitet von lustvollen Gefühlen, hervorrief. [...] Sinnlich 
erregte ihn im Verkehr mit dem anderen Geschlecht nur der Schuh und zwar der 
elegante, glänzend schwarz. Wenn Herr von P. auf der Straße Frauen mit solchen 
Schuhen sah, war er so heftig erregt, daß er masturbieren mußte. [...] Die 
renommiertesten Ärzte rieten ihm zur Heirat, aber
die Brautnacht war schrecklich; er fühlte sich wie ein Verbrecher und ließ seine 
Frau unberührt. [...] Nun kaufte er ein Paar elegante Damenstiefel, versteckte 
sie im Ehebett, und indem er sie während der ehelichen Umarmung betastete, 
konnte er nach wenigen Tagen seiner ehelichen Pflicht genügen.
 
 
4.2.7 Zusammenfassend
 
Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, ob tatsächlich oder symbolisch, ist 
offenbar das Entscheidende für die Fetischwirkung des Schuhs. Hohe Absätze 
mindern die Bewegungsfreiheit - eine Art Frauen zu fesseln, die manche erotisch 
finden - während die gefährlich aussehenden Formen den Mann erregen, der es 
genießt, bedroht zu werden.

 
4.3 Zusammenfassung
 
 
Viele der Eigenschaften, die man normalerweise mit weiblicher Attraktivität 
verbindet, werden durch hochhackige Schuhe akzentuiert, da sie sowohl den Gang 
als auch die Haltung der Trägerin beeinflussen. Der untere Teil des Körpers wird 
angespannt und dadurch werden die Bewegungen von Hüfte und Gesäß betont und der 
Rücken durchgedrückt, so daß sich der Busen wölbt. Hohe Absätze ändern auch die 
Kontur des Beins, indem sie die Rundung der Wade betonen und Knöchel und Fuß 
nach vorne kippen und so der Eindruck verführerisch langer Beine entsteht. Aus 
einem bestimmten Blickwinkel gesehen, erinnert der hochhackige Schuh auch an die 
Scham.
 
Möglicherweise gibt es Gründe, daß Fetischisten so ausgesprochen visuell 
ansprechbar sind. Schwarzglänzende Lederschuhe fesseln das Auge und schwarze 
Strümpfe kontrastieren mit der weißen Haut. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, 
daß die Muster männlicher Erregung mehr von optischen Eindrücken abhängen, als 
die der weiblichen. Kleinkinder können ja den Schwarzweißkontrast früher 
wahrnehmen als Farbe. Vielleicht prägen sich Männer früh solche Kontraste ein, 
die Körperteile voneinander abgrenzen. Auch ist die männliche Erregung exakt 
definiert, weil der Penis unmittelbar reagiert.
 
Auch viele Frauen lieben und sammeln Schuhe voller Hingabe. Jedoch hat diese 
weibliche Begeisterung selten mit den spezifisch erotischen Praktiken männlicher 
Schuhfetischisten zu tun, auch nicht mit der unwillkürlichen Reaktion normal 
fetischisierender Männer. (Frauen haben höchst selten einen unfreiwilligen 
Orgasmus, wenn sie einen Mann in hübschen Schuhen sehen.) Auch scheinen Frauen 
keine mit denen der männlichen Schuhfetischisten vergleichbaren Phantasien zu 
haben. Dennoch haben Schuhe auch für Frauen fühlbare Reize. So erzählt Ann 
Magnuson:
"Meine Knöcheln knackten [...] und meine Achillessehnen zogen nach hinten. [...] 
Als ich so die Straße hinunterhumpelte, wurde ich mir meines Körpers deutlich 
bewußt. Mein Busen ragte nach vorn, während mein Rücken stark überdehnt wurde. 
Mein Hintern fühlte sich an wie ein Straßenkreuzer, und meine Hüften, besser 
gesagt, meine 'Flanken' schwangen vor und zurück wie zwei Rinderkeulen. [...]
Machen uns solche Schuhe ohnmächtig? Versklaven Sie uns? Sind wir hilflos, wenn 
wir sie tragen?
Die Antwort ist ja! Ja! Natürlich! Was gäbe es sonst für einen Grund, sie zu 
tragen?
 
Ist Fetischismus "normal"? Dieses Wort selbst ist problematisch geworden, es sei 
denn als Synonym für normativ. Viele Sexualpraktiken, die in der Vergangenheit 
als abnormal galten (zum Beispiel oral-genitaler Sex), sind heute weitgehend 
akzeptiert.
Eine Abweichung, wie zum Beispiel die Neigung für hochhackige Schuhe als 
sexuelle Stimuli mögen trivial oder sogar lächerlich erscheinen. Aber andere, 
wie das rituelle Schlagen einer Frau in die Magengegend, um eine an die Vagina 
erinnernde Wunde zu schaffen, gehören zu den schrecklichsten Verbrechen der 
menschlichen Gesellschaft.
Obwohl viele Formen sexuellen Verhaltens, die früher als pervers galten, in den 
letzten Jahrzehnten eine Legitimation erfahren haben, ist diesem Prozeß doch 
zwangsläufig eine Grenze gesetzt.




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